Corona ist ein unsichtbarer Feind, der sich langsam und unbemerkt in unseren Alltag gedrängt und unser Leben völlig auf den Kopf gestellt hat. Seither hat uns das Virus fest im Griff. Gewohnheiten wie Restaurantbesuche und Einkäufe sind nur mit Vorsicht, Sicherheitsabstand und einer Mund-Nasenmaske möglich. Es greift weiterhin menschliche Körper an, ebenso betriebliche Strukturen und Prozesse. Unternehmen kämpfen seit dem Corona-Ausbruch mit Umsatzeinbußen und bangen um ihre Existenz. Auch Grillfürst musste seine gewöhnten Arbeitsabläufe anpassen, ändern und teilweise sogar völlig stoppen. Alles, um diese besondere und äußerst schwierige Situation so zu kontrollieren, dass seine Kunden möglichst wenig Nachteile erfahren.
Für die Unternehmensführung und das gesamte Team bedeutete das Einsatz, der über das natürliche Maß hinausging. Sie hatten mit unbekannten Herausforderungen zu kämpfen und mussten immer wieder mit neuen Konzepten auf diese reagieren. Welche Konsequenzen der Corona-Ausbruch haben würde, war ihnen zu Beginn aber noch gar nicht klar. „Bewusst mussten wir uns erstmals mit dem Thema kurz vor der Trendmesse in Fulda beschäftigen, die Mitte März hätte stattfinden sollen. Für uns ist das eine der wichtigsten Veranstaltungen, auf die wir uns über Wochen hinweg vorbereiten. Als darüber diskutiert wurde, ob sie stattfindet und ob wir als Unternehmen unter den gegebenen Umständen überhaupt daran teilnehmen wollen, wurde uns zum ersten Mal der Ernst der Lage bewusst“, erinnert sich Grillfürst-Geschäftsführer Joachim Weber.
Alle Mitarbeiter packten mit an
Als dann der Lock-Down Mitte März bevorstand, musste er sich zum ersten Mal in seinem Leben mit dem Thema Kurzarbeit beschäftigen. „Ich musste darüber nachdenken, wie wir als Unternehmen reagieren sollten und vor allem darüber, was aus meinen Mitarbeitern wird“, so Weber. Unter anderem suchte er gezielt Lösungen, um eine mögliche Ausbreitung innerhalb des Unternehmens so gering wie möglich zu halten. In den Büros arbeiteten fortan nur zwei Mitarbeiter, andere wurden ins Homeoffice geschickt. „Wieder andere haben Urlaub genommen oder Überstunden abgebaut. So wollten wir einfach erst mal die ersten Wochen überbrücken und sehen, wie sich alles entwickelt. Doch schon ab der zweiten Wochen nach Filialschließung war abzusehen, dass wir jeden Mitarbeiter brauchen“, erklärt Weber.
Denn das Auftragsvolumen stieg plötzlich so rasant an, dass die gesamte Grillfürst-Manpower benötigt wurde – von Kurzarbeit war keine Rede mehr. Verkäufer aus allen Filialen unterstützten die Kollegen im Lager oder im Kundenservice in Bad Hersfeld. „Anders war die Auftragslage auch gar nicht in den Griff zu bekommen. Bestellungen, die bei uns normalerweise in mehreren Monaten eingehen, kamen auf einmal innerhalb weniger Wochen bei uns an. Abläufe, die vorher zu 100 Prozent darauf abgestimmt waren, mussten wir umstrukturieren. Wir haben im Lager 3 Schichten eingeführt, damit die Ware umgeschlagen werden konnte“, so Weber.
Virtuelle Filialeröffnung und Video-Beratung
Mitten in den Lock-Down fiel darüber hinaus noch eine Filialeröffnung in Ulm. Was vorher als Groß-Event mit vielen Gästen geplant war, musste kurzerhand umorganisiert werden. „Wir mussten uns also eine Alternative überlegen. Also haben wir die Eröffnung einfach online stattfinden lassen. Die Kunden konnten über Facebook live dabei sein und alle Ecken und Winkel mit einer virtuellen Begehung unter die Lupe nehmen.“ Zusätzlich richtete das Unternehmen innerhalb von 48 Stunden eine Live-Video-Beratung ein, um den Kunden auch ohne persönlichen Besuch den besten Service zu bieten. „40 bis 50 solcher Anrufe haben die Kollegen in Ulm täglich entgegengenommen und plötzlich generierte diese Filiale den höchsten Umsatz, obwohl sie noch nie geöffnet war“, erinnert sich Weber.
Im April machte es sich erstmals richtig bemerkbar, dass viele Deutsche in Kurzarbeit waren und die freie Zeit zu Hause mit einem neuen Grill nutzen wollten. „In diesem Monat machten wir den dreifachen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. Das hat unser Unternehmen in Bezug auf Warenbeschaffung, Platz im Lager, Kundenanfragen und Beratung natürlich völlig überfordert“, erklärt Weber. Es sei gar nicht mehr greifbar gewesen. Wöchentlich mussten er und seine Mitarbeiter sich damit beschäftigen, welchen Service sie abschalten sollten, um allen Anfragen gerecht zu werden. Externe Absatzwege wie Amazon, die sie sich mühselig erarbeitet hatten, mussten kurzerhand gestoppt werden, zwei Tage war sogar der eigene Online-Shop abgeschaltet, weil sie die Aufträge nicht mehr abwickeln konnten. „Wir haben mit allen Mitteln versucht, den Umsatz runterzudrücken, und trotzdem kamen Bestellungen über Bestellungen rein. Es war ein Wunder, dass wir das überhaupt alles hinbekommen haben. Das geht nur, wenn wirklich alle mit anpacken.“
Paketdienste verursachten Chaos
Hinzu kamen externe Probleme, die es vorher nie gegeben hat. „Informationen von Lieferanten, ob Waren verfügbar sind und wann sie geliefert werden, waren nicht mehr zuverlässig. Innerhalb von 2 Wochen waren unsere Strukturen komplett dahin. Alles, was vorher perfekt organisiert war, gab es nicht mehr“, bringt es der Geschäftsführer auf den Punkt. Hersteller seien ebenfalls überfordert gewesen und konnten keine klare Aussage treffen, wann sie Grillfürst mit neuer Ware beliefern können. Mitte April wurde deshalb unter anderem der Service eingestellt, Vorbestellungen im Online-Shop anzunehmen. Es wurde fortan nur noch das verkauft, was tatsächlich im Lager vorhanden war. „Wir konnten uns einfach auf niemanden mehr verlassen.“ Auch nicht auf die Paketdienste. Der Versand, der normalerweise 1 bis 2 Werktage dauert, nahm plötzlich bis zu 14 Tage in Anspruch. Darüber hinaus wurden Pakete von den Zulieferern abgeholt und ohne Registrierung in Zwischenlagern untergebracht, weil sie selbst mit der hohen Anzahl überfordert waren. „Plötzlich fehlten Pakete und keiner konnte nachvollziehen, wo sie sind. Wenn Kunden den Paketverfolgungslink öffneten, wurde ihnen kein Paket angezeigt. Logisch: Bei uns waren sie nach Abholung aus-, bei den Paketdiensten aber nicht eingebucht. Daraufhin wurde uns von einigen Kunden Betrug vorgeworfen“, erklärt Weber. Viele Bestellungen verschickte das Unternehmen aus Kulanz erneut. Als sich die Zusteller wieder ihren Zwischenlagern widmeten, lieferten sie auch die ursprünglichen Pakete aus, sodass der Kunde plötzlich doppelte Ware zu Hause hatte.
Ersatzteilmarkt war leergefegt
Eine weitere Herausforderung, dem sich das Unternehmen stellen musste, war eine große Reklamationswelle. „Das lag zum einen am großen Auftragsvolumen, das sich normalerweise über mehrere Monate streckt und damit auch die natürliche Reklamationsrate ausgleicht. Darüber hinaus waren auch die Hersteller nicht auf diese Auftragswelle vorbereitet. Teilweise haben sie ihren Halbjahresumsatz innerhalb von vier Wochen gemacht und hatten gar nicht genug Ersatzteile auf Lager“, erklärt Weber. Ende April war der gesamte Ersatzteilmarkt komplett leergefegt. Und an Nachschub war erstmal nicht zu denken. In Asien durften die Mitarbeiter zu dieser Zeit wieder an die Arbeit gehen und waren mit der Herstellung anderer Produkte beschäftigt, um die Nachfrage zu decken. Zulieferer in Kanada widmeten sich dagegen der Herstellung von wichtigen Beatmungsgeräten für Amerika, als sich in New York viele Menschen mit dem Virus infizierten und mehr als 20.000 von ihnen starben. Grills und Ersatzteile, die während dieser Zeit hätten produziert werden können, kommen deshalb erst Monate später in Europa an.
Hersteller kamen mit der Produktion nicht hinterher
Doch für viele Kunden war ein ausgeschöpfter Ersatzteilmarkt einfach nicht vorstellbar. Der Kundenservice musste täglich hunderte Anfragen entgegennehmen und die Kunden um Geduld und Verständnis bitten. „Klar, wenn der Seiten- oder Heckbrenner nicht funktioniert oder der Grill gar nicht erst angeht, ist das natürlich ärgerlich und der Kunde fordert zurecht Ersatz. Wir haben aber einfach keine Geräte mehr, um einen defekten Grill auszutauschen oder ihn als Ersatzteilspender zu nutzen“, sagt Weber. Viele reagierten verständnisvoll, andere dagegen nicht. „Wir haben irgendwann gar nicht mehr beim Hersteller nachgefragt, weil uns allein die Nachfrage eine Stunde an Arbeitszeit gekostet hat, und wir dann teilweise Wochen später die Aussage erhalten haben, dass es eben noch keine Ersatzteile gibt. Unsere Kunden haben wir deshalb gebeten, sich im September zu melden. Das wollten viele aber nicht verstehen“, erklärt Weber. Einige riefen verärgert an und erklärten, dass ihnen ein Fachhändler vor Ort das Ersatzteil besorgen konnte und sie nie wieder bei Grillfürst bestellen werden. „Das ist natürlich nicht vergleichbar. Der Händler vor Ort hat vielleicht noch eine Zündbox im Lager und kann damit einen Kunden zufriedenstellen. Wir brauchten davon aber gleich mehrere Dutzend bei ca. 40.000 verkauften Grills dieses Jahr und die hat man natürlich nicht einfach so herumliegen“, erklärt der Geschäftsführer.
Logistische Probleme durch hohe Reklamationszahlen
Für viele Kunden war es darüber hinaus nicht nachvollziehbar, weshalb ihre Reklamationsanfrage so lange bearbeitet wurde. „Das war auch für uns neu. Teilweise hatten wir bis Ende Juni bei den Herstellern Bearbeitungszeiten von 4 bis 6 Wochen. Das heißt, unsere Mails können wegen der hohen Anzahl vorher gar nicht bearbeitet werden. So lange es sich lediglich um kleine Defekte und kosmetische Mängel handelt, können unsere Kunden ihren Grill zumindest benutzen. Sobald wir wieder in gewohnter Form mit den Herstellern kommunizieren können, kümmern wir uns auch um Ersatz“, so Weber. Doch viele wollten auch das nicht akzeptieren und forderten das Unternehmen auf, den defekten Grill wieder abzuholen. „Das führte zu weiteren logistischen Problemen. So mussten wir kurzerhand ein Zelt auf dem Gelände unserer Zentrale in Bad Hersfeld aufbauen, um die Geräte überhaupt unterzubringen. Vorteil war, dass wir andere Kunden mit neuen Ersatzteilen ausstatten konnten“, sagt Weber.
Trotz aller Bemühungen straften viele Kunden den Grillfachhandel mit negativen Bewertungen. „Sie stellen uns dar, als wären wir die schlechtesten Menschen überhaupt, die vorsätzlich Ware vorenthalten und betrügerisch sind. Natürlich sind das Einzelmeinungen, aber auch das müssen wir neben all den anderen Herausforderungen erst einmal verkraften“, so der Geschäftsführer. Was Kunden teilweise anonym im Internet bemängeln, muss der Kundenservice persönlich abfangen. Zu Hochzeiten nahmen die Mitarbeiter bis zu 1.500 Anrufe täglich entgegen. „Was sie sich dabei anhören mussten, ist unfassbar. Meine Mitarbeiterinnen wurden teilweise übel beschimpft“, berichtet Weber.
Ganz langsam finden er und seine Mitarbeiter nun zurück zur Normalität. „Wir merken, dass sich die Lage etwas entspannt. Doch die nächste Herausforderung steht schon bevor, nämlich alle Prozesse wieder hochzufahren. Etwas abzuschalten geht schnell, es wieder neu aufzubauen ist eine ganz andere Sache. Ob es irgendwann wieder so sein wird, wie es mal war, wird sich zeigen. Ich gehe davon aus, dass viele Dinge zukünftig ganz anders funktionieren werden.“